fichten.

für großes Orchester und Rauminstallation, 2007

Klaus Lang
MaerzMusik – Festival für aktuelle Musik
Musik: Klaus Lang
Raumgestaltung: Claudia Doderer
Licht: Andreas Fuchs
mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Premiere: 16. März 2007, Haus der Berliner Festspiele, Berlin

Auszüge aus dem Exposé zu fichten.

A.
Das Kleinstmögliche und seine Mikroskopie, also die extreme Nähe waren Ausgangspunkte von kirschblüten. ohr.. Was normalerweise zur Einheit verschmilzt wurde aufgelöst in Einzelelemente. Das Resultat war eine kleine Form deren Grundbestandteile Einzelelemente waren, die zu von langen Pausen getrennten Zuständen aus Impulsketten oder Lichtpunkten wurden, zu Linien im fast ständig dunklen Raum.
(…)

B.
Das Hauptcharakteristikum von fichten. ist völlige Konturlosigkeit, sowohl optisch als auch akustisch. Es ist wie ein Eintauchen in eine große zäsurlose Licht- und Klangfläche, in der es immer Licht, immer Klang, keine Dunkelheit, keine Stille gibt. Die einzigen wahrnehmbaren Umrisse von fichten. sind der Beginn und das Ende, alles andere verschmilzt eigentlich zu einer Fläche oder einem riesigen Punkt. fichten. könnte man sehen als nichts anderes, als die größtmöglich vergrößerte ‚Innenansicht’ eines Impulses. So gesehen, enthält der einzelne Schlagzeugimpuls aus kirschblüten. ohr. fichten. als ganzes. Das Große ist eigentlich Teil des Winzigen.

Musikalisch könnte der Horizont als die Grenze des Hörbaren definiert werden, als die Linie welche die Stille vom Klang trennt oder als der Ort wo beide sich treffen. Das musikalisch Weiteste und Größte ist zugleich das Kleinste, das Leiseste. Die Musik zu fichten. ist nichts als ein einziges riesiges Glissando in allen Parametern.
(…)

Die Raumverteilung des Orchesters dient nicht wie üblich dazu, den Raum als Raum zu artikulieren oder hörbar zu machen, sondern umgekehrt dazu, die Enpfindung von Raum aufzulösen. Wenn ein Klang erscheint, kommt er immer gleichzeitig von allen Seiten, um dadurch das Gefühl für Räumlichkeit aufzuheben. Der Zuhörer ortet die Klänge nicht, er ordnet sie nicht Richtungen zu, er ist nicht von Klang umgeben, im Gegenteil, er ist immer mitten im Klang. Klang kann sich nicht im Raum bewegen, weil er immer überall ist, die Differenz zwischen Klang und Raum wird aufgehoben: Klang ist nicht im Raum – Raum wird zu Klang.

C.
Ein rechteckiger Raum wird gebildet durch ungefähr 2 m hohe Podien, auf denen die für das Publikum unsichtbaren Orchestermusiker sitzen. Der Boden des rechteckigen Raumes ist belegt durch mit Filz überzogenen Matten auf denen das Publikum liegt, den Blick nach oben auf ein kompliziert gespanntes, quasi unendlich langes und sich ständig verändernd beleuchtetes Seil gerichtet. Das kaum sichtbare verspannte Seil, markiert analog zum musikalischen Pianissimo die Grenze zum Sichtbaren und ist gleichzeitig die ‚unstofflichste’ Möglichkeit Licht sichtbar zu machen. Für den Zuseher ergeben sich zwei grundsätzlich verschiedene Blickwinkel die trotzdem beide letztlich den Blick in einen unendlichen Horizont führen: Ist der Blick nach oben gerichtet, folgt er einer einzigen Horizontlinie, fällt der Blick schräg, so verschmelzen die vielen einzelnen mehr oder weniger senkrecht gespannten Seilabschnitte zu einer Fläche: Eine einzige Linie wird durch Verspannung zu einer großen Flächen die das milchig-weiße, nebelartig fluktuierende Licht sichtbar macht.

Die Zuseher betreten eine Raumskulptur aus abstrakten Senkrechten. (Zwischen Boden und Schnürboden gespannte kunststoffummantelte Drahtseile.) Liegend nehmen sie Platz auf einer schwarzen Filzdecke (Nadelfilz-Bodentuch) in einer ‚Landschaft’ aus Schaumstoffmatten. Hinter den transparenten Außenwänden (schwarze Gobelin-Gaze) verdeckt sind Podien auf denen in 1,80 m Höhe das Orchester verteilt ist. Der Blick richtet sich auf eine unmerkliche Lichtwanderung durch Strukturen aus scheinbar ungeordneten Senkrechten. Die Augen durchmessen eine Architektur aus Lichtfäden, die ein Raumgewebe beschreiben und im Gegensatz zur ‚vertikalen’ Klangfäche stehen.
(…)

Klaus Lang und Claudia Doderer

 

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