Luis Antunes Pena / Thomas Meadowcroft / Malin Bang / Sergej Newski / Meng-Chia Lin / Stefan Prins
Kesselhaus der Kulturbrauerei Berlin
Raum und Licht: Claudia Doderer
Video: Dirk Schulz
Premiere: 8. Juni 2011
2011
Luis Antunes Pena / Thomas Meadowcroft / Malin Bang / Sergej Newski / Meng-Chia Lin / Stefan Prins
Kesselhaus der Kulturbrauerei Berlin
Raum und Licht: Claudia Doderer
Video: Dirk Schulz
Premiere: 8. Juni 2011
Patrick Hahn
Der Riss in der Wand und der Hall danach
Falls das bis hierhin noch nicht deutlich geworden sein sollte. Die Annahme, dass ein Konzert eine Angelegenheit nur zum Hören sei, hat das ensemble mosaik längst widerlegt. Nicht alleine. Sie schließen mit ihrer Konzertreihe über sichtbare Musik an einem Kernthema der Avantgarde der 1960er und -70er Jahre an, das inzwischen zu einem Gemeingut selbst unter konservativen Konzertveranstaltern geworden ist. Doch wer zieht schon die Konsequenzen? Mit ihrer innovativen Dramaturgie, die auch die Zusammenarbeit mit Regisseuren einschließt, entwickeln die Musiker des Ensembles nicht nur für jedes Konzert einen roten Faden. Zum Klangbild, das sie entwerfen, bauen sie den passenden Rahmen gleich mit dazu. In Claudia Doderer hat das ensemble mosaik in diesem Fall eine Partnerin gefunden, die sich gerade im Zwischenbereich von Szene und Konzert zu Hause fühlt. Die Bühnenbildnerin und Regisseurin hat in ihrer Zusammenarbeit mit zahlreichen Komponisten außergewöhnliche Formen des Musikhörens ermöglicht, wie zum Beispiel die „Musik im Liegen“ fichten von Klaus Lang. In ihren Arbeiten nimmt sie zugleich immer wieder auf den Raum Bezug, in dem sie arbeitet. Die Architektur selbst ist gewissermaßen ihr erstes Fundstück, das sie in Szene setzt und – in diesem Fall – auf seine Oberflächenbeschaffenheit abtastet. Eine zarte Gaze-Struktur gliedert den Raum. Sie dient Doderer als Folie, vor der die Klangwelten der Komponisten umso extremer hervortreten sollen. Besonders ist an diesem Konzert also weniger die thematische Ausrichtung allein, sondern die Art und Weise, wie sämtliche Parameter eines Konzerts miteinander in Beziehung gesetzt werden. So ist es nur natürlich, dass die Zeit nach dem Konzert, in der das Gehörte nachhallt – allmählich gedämpft vielleicht durch ein Glas Rotwein oder verstärkt durch intensive Gespräche, oder alles zusammen – vom ensemble mosaik nicht ausgeblendet, sondern in die Konzeption des Abends einbezogen wird. Thomas Meadowcroft baut dafür einige „Schätzchen“ aus seiner Instrumentensammlung auf: eine elektrische Farfisa-Orgel aus der VIP-Serie, deren Sound aus frühen Rock’n’Roll-Nummern bis hin zu Elton Johns Crocodile Rock bekannt ist, einen Moog-Ring-Modulator und ein gutes altes Revox B77 Tonbandgerät. Die akustischen Fundstücke, die die Zeit auf den Tonbändern noch übrig gelassen hat, werden Meadowcrofts Phantasie in diesem Nachhall lenken. Wer weiß schon, ob Geräusche die Musik verfremden oder umgekehrt.
Auszug aus dem Programmheft, Sichtbare Musik, 3. Fundstücke, 8. Juni 2011