Idomeneo – König von Kreta

2003

Dramma per musica in drei Akten, Libretto von Giambattista Varesco
Wolfgang Amadeus Mozart
Staatstheater am Gärtnerplatz, München
Musikalische Leitung: Ekkehard Klemm
Inszenierung, Bühne, Kostüme: Claudia Doderer
mit dem Ensemble, Chor und Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz
Premiere: 21. Dezember 2003

Reinhard Schulz
Im Garten der Gefühle
Mozarts Idomeneo, inszeniert von Claudia Doderer, dirigiert von Ekkehard Klemm am Münchner Gärtnerplatztheater

(…) Vor diesen Problemen steht jede heutige Aufführung. Soll man der Uraufführungspraktik folgen, oder soll man rekonstruieren, was Mozart im Kopfe hatte? „Komponiert ist schon alles, geschrieben aber noch nicht“, hatte Mozart dem Vater mitgeteilt. Und als es geschrieben war, wurde manches wieder getilgt. Wo also ist die stimmige Wahrheit des Stücks? Die Aufführung im Staatstheater am Gärtnerplatz unter der Leitung von Ekkehard Klemm nahm die Herausforderung an. Und Claudia Doderer, verantwortlich für Regie, Bühne und Kostüme, schuf dazu ein durchdachtes Pendant. Sie räumte zunächst die Bühne auf, orientierte sich dabei an der Ästhetik japanischer Betrachtungs-Gärten. Ruhe wurde verordnet, die kleinen, sinnträchtigen Geste des NO-Theaters und geometrisch geschnittene Gewänder bildeten die Elemente. Doderer gelang damit die Flucht nach vorn. Bewegungs-Regie, wie sie in den letzten Jahren üblich wurde, erübrigte sich. Wirklich trägt Idomeneo als Schwellenstück zwischen Opera Seria und Tragedie Lyrique statuarische Züge. Selbstaufgewühlte Szenen, wie das Wüten des Meerungeheuers, das die Opferung des Königssohns Idamante fordert, sind dem Wesen nach Stürme des Inneren. Über die Bühne gescheuchte Massen wirken hier lächerlich.

Doderer mag sich bei den tableauxartigen Aufrissen des französischen Revolutionsmalers Jacques Louis David orientiert haben. Im Wesentlichen aber überließ sie sich der Askese des einfach Schönen. Das Auge soll dem betrachtenden Denken auf die Sprünge helfen, sonst aber soll viel Geist frei bleiben für die Musik, der Doderer uneingeschränkt das Vorrecht einräumte. Es war eine Regie der verweigerten, vor allem der nicht aufgestülpten Deutung, die sich allenfalls in einem Ästhetizismus des Kolorits und in der Illustrationsgestik von Geishas erschöpfte. Aber der Gewinn für die Musik, die aufgrund des szenischen Freiraums und seiner offenen zeitlichen Dimensionierung jeden benötigten Zeitrahmen bekam, wog alles auf. (…)

 

Auszug aus der Kritik, Süddeutsche Zeitung, 23.12.2003

 

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